Homberg, 18.02.2022
KLARTEXT! von Wolfgang Graf
Pierre: Hallo Wolfgang, Du hast mir vor Wochen schon mal angeboten ein „unzensiertes“ Gespräch zu führen und Dich bereit erklärt, auch mal ein wenig Klartext zu reden, ohne „politische“ Ausweichmanöver, wie man die in der heutigen Zeit bei den Interviews immer mal wieder erlebt. Nicht als Vorstandsmitglied, sondern als Fan vom VfB.
Wolfgang: Habe ich Dir zugesagt und dazu stehe ich natürlich immer noch.
Pierre: Dir konnte man es im Gesicht ansehen, dass Dich die Niederlage jetzt gegen Aachen mitgenommen hat. Wie fühlst Du Dich aktuell?
Wolfgang: Ich fühle mich extrem müde. Die letzten Jahre Regionalliga bleiben leider nicht so einfach in der „Jacke“ hängen. Das hat mir enorme Kraft gekostet und die ganze Arbeit fällt mir nicht leichter, wenn man samstags auch noch verliert.
Pierre: Wenn ich richtig informiert bin, machst Du das jetzt schon über 20 Jahre. Wie kommt es dazu und was motiviert Dich, das so lange zu machen?
Wolfgang: Ja, das stimmt, ich mache das seit 22 Jahren – in 3. Generation, eine 4. Generation wird es aber nicht geben. Dieser Verein verkörpert so viele Dinge, die ich in unserer Gesellschaft für besonders wichtig halte – gerade in der heutigen Zeit. In Homberg „arbeiten“ unglaublich viele Menschen, von der Reinigungskraft bis zum Vorstand, mit soviel Herzblut und so viel Engagement, wie ich es in dieser Fußballbranche in den letzten 22 Jahre nicht kennengelernt habe. Wir versuchen hier mit den kleinsten wirtschaftlichen Mitteln, Jahr für Jahr, sportlichen Erfolg zu produzieren, den man eigentlich mit diesem Budget gar nicht haben kann. Deshalb arbeite meine Kollegen und ich aus dem Vorstand für diesen Verein mit vollem Stolz.
Pierre: Hast Du nie überlegt, aus Deinem Hobby mal einen Beruf zu machen?
Wolfgang: Doch, die Überlegung gab es, aber die Anfragen waren nie konkret genug. Außerdem würde ich das wohl nur in Kombination mit einem guten Freund machen, der aber aktuell als Trainer im Ausland arbeitet und das kommt nicht wirklich für mich in Frage.
Pierre: Drei Jahre Regionalliga (bis jetzt) – was hat Dich besonders geärgert?
Wolfgang: Puuh, die Liste ist leider lang… ich versuche es mal zu bündeln. Wir spielen auf einem Rasenplatz im PCC-Stadion, wofür sich unsere Mitarbeiter täglich den Allerwertesten aufreissen und ohne Ende Arbeitszeit investieren, auf dem würde sich die E-Jugend von Borussia Dortmund nicht mal warmlaufen. Kaputt ist eben dann auch mal kaputt. Das ist ein Katastrophen-Aushängeschild für die Stadt Duisburg! In der Zeit, wo dieser Rasen liegt, wurde in der MSV Arena der Platz schon etliche Male ausgewechselt - was keine Kritik am MSV Duisburg sein soll! Interessiert aber Keinen. Muss man dann eben zur Kenntnis nehmen. Vor drei Jahren war ich der Meinung, dass wir mit dem Aufstieg in die Regionalliga auch „neue Türen“ in Duisburgs Wirtschaft öffnen können. Diese Euphorie hatte ich wohl exklusiv für mich alleine. Wir konnten noch nicht einmal bestehende Verbindungen „ausbauen“. Das ist ein totales Trauerspiel in dieser Stadt und lässt mich auch resignieren. Man merkt einfach, dass es in dieser Stadt einfach keinen „Nährboden“ für diese Leistungssport-Entwicklung gibt. Das merkt der MSV sicherlich schon lange, dann denke ich mit Schrecken an die Entwicklung der Eishockey Füchse, Handball ist auch brutal gescheitert und dann soll der VfB Homberg sich in der Regionalliga etablieren? Womit denn? Ich habe zuletzt öfters gelesen, der VfB müsste sich jetzt mal entscheiden, ob er sich in der Regionalliga etablieren will. Völliger Blödsinn so eine Aussage. Sachverstand ist ausreichend vorhanden, aber wir müssen auch die Rechnungen bezahlen können, von den Dingen, die wir uns leisten wollen. Das entscheidet nicht der VfB, sondern am Ende unser Budget und das wiederum kommt von Sponsorenzuwendungen. Aber bevor ich mich in Rage rede, lass uns über die positiven Dinge reden.
Pierre: Drei Jahre Regionalliga (bis jetzt!!) – was hat Dich besonders gefreut / stolz gemacht?
Wolfgang: Ich würde die Betrachtung ungerne nur auf diese 3 Jahre legen. Bereits der Weg dorthin hat unglaublich viel Spaß gemacht. Stolz macht mich, dass unser Hauptsponsor, die PCC SE, unseren Weg die ganze Zeit – trotz Corona – immer zuverlässig und treu mitgegangen ist. Das sucht in der heutigen Zeit (insbesondere in Duisburg) seines Gleichen. Weiter könnte ich ja jetzt sagen, dass ein oder andere Spielergebnis gegen Essen oder Dortmund – aber mal ehrlich gesagt, macht es mich stolz, mit welchem Mut und Leistungsbereitschaft und Energie sich täglich Vorstand, die Mitarbeiter im Verein, die Spieler und Trainer dieser Aufgabe stellen. Wenn Du als „Underdog“ an den Start gehst, brauchst Du einfach diesen Willen und den Mut, das Unmögliche möglich zu machen. Am Ende dieser Saison werden es um die 100 Regionalliga Spiele sein (mindestens!!), die dieser Verein gespielt hat und das wird in den nächsten 10 Jahren in Duisburg kein Verein mehr schaffen. Ich weiß, dafür kann man sich nix kaufen, aber ein bisschen Stolz darf man trotzdem darauf sein
Pierre: Die aktuelle Tabellensituation ist alles andere als gut – war es das schon? Wie siehst Du das?
Wolfgang: Ich habe ja versprochen zu sagen, was ich denke…mir geht diese Frage eigentlich enorm auf den „Sack“. Was soll ich denn auf so eine Frage ernsthaft antworten? Wenn man Vorletzter ist und diesen Punkteabstand hat, dann sind die Chancen natürlich schlecht die Klasse zu halten. Jeder, der es gerne hören möchte und auch schreiben möchte – ja, sieht Scheiße aus mit dem Klassenerhalt und ja, wir müssen und werden uns natürlich auch mit dem sportlichen Abstieg auseinandersetzen und „nein“ mir macht es überhaupt keinen Spaß darüber nachzudenken. Ich bin sicherlich nicht bekannt dafür als „Träumer“ durch die Gegend zu laufen, aber was machen wir bitteschön mit der aktuellen Tabelle, wenn wir mal gar nicht mehr auf die Tabelle schauen und anfangen zu gewinnen? Zwei der letzten drei Spiele konnten wir durchaus gewinnen – ob verdient oder unverdient ist mir völlig egal.
pm ( )
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